MARDY-2: Modellierung von Argumentationsdynamik im politischen Diskurs

In der ersten Phase des SPP 1999 brachte das Projekt MARDY (Modeling Argumentation Dynamics in Political Discourse) maschinelle Lernverfahren aus der maschinellen Sprachverarbeitung und theoretisch fundierte Analyseframeworks aus der Politikwissenschaft zusammen, um die Dynamik politischer Debatten besser zu verstehen: Wie artikulieren Akteure (Politiker, Parteien, Demonstranten) ihre Forderungen (z.B. "Migranten sollten in den Arbeitsmarkt integriert werden")? Wie bilden sie "Diskurs-Koalitionen", um gemeinsame Ziele zu erreichen? Wie entwickeln sich Debatten im Verlauf der Zeit? Um diesen Zielen näher zu kommen, beschränkte sich MARDY1 auf die Untersuchung einzelner thematisch begrenzter Debatten – Migration und Renten in Deutschland – verwendete Daten aus einer einzigen Zeitungsquelle und beschränkte sich bei der Netzwerkmodellierung auf Akteure und Forderungen. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit war sehr erfolgreich: die Analyse von langfristigen politischen Debatten lisß sich ohne Einbußen bei der Qualität erheblich beschleunigen und die ML-unterstütze Analyse liefert neue Erkenntnisse. Die genannten Vereinfachungen von MARDY1 beschränken jedoch die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse.

Das Ziel von MARDY2 ist eine Generalisierung in zwei zentralen Dimensionen: Erstens sollen sowohl die Methodik als auch die statistischen Modelle von MARDY wesentlich verallgemeinert werden, um sowohl die Analyse von Debatten über beliebige neue Themen als auch länder(und damit sprach-)übergreifende Vergleiche zu ermöglichen. Mit diesen Erweiterungen werden wir die aktuellen Debatte über die COVID-19-Pandemie und ihre politischen Auswirkungen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA analysieren. Die zweite Verallgemeinerung ist die systematische Einbeziehung von Frames in die Modellierung. Frames sind argumentative Muster, die zur Begründung eines Forderungen verwendet werden und fügen der Analyse eine zusätzliche Strukturebene hinzu. So kann zum Beispiel die Forderung, dass Migranten in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen, von Akteuren aus dem linken Spektrum mit Hinweis auf gesellschaftliche Integration oder von Mitte-Rechts-Akteuren mit Hinweis auf wirtschaftliche Gewinne begründet werden. Die gleichzeitige Modellierung der Dynamik von Akteuren, Forderungen und Frames hat das Potential, die automatische Identifizierung und Klassifizierung politischer Akteursstatements weiter zu verbessern. Um die Vorteile der Integration von Frames auszuschöpfen, werden wir längere argumentative Texte betrachten.

Die Erweiterung unserer analytischen Perspektive führt potentiell zu weitreichenderen Korpusanalysen in der (rechnergestützten) Sozialwissenschaft. Zudem trägt sie dazu bei, die Methodenentwicklung von MARDY auf eine systematischere Ebene zu heben, indem wir allgemeine Arbeitsabläufe und Werkzeuge entwickeln, die Argumentationsanalysen in komplexen Diskursumfeldern unterstützen.